WÄDENSWILER GEWERBLER BEWEISEN KREATIVITÄT IN DER KRISE

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WÄDENSWILER GEWERBLER BEWEISEN KREATIVITÄT IN DER KRISE

Die Corona-Krise trifft die Wädenswiler Unternehmen hart. Während einige ihre Geschäfte ins Internet verlagern oder Heimlieferservices anbieten, satteln andere komplett um. Doch leider gelingt es nicht allen, in der schwierigen Zeit zu überleben.

Anja Kutter

Erneut werden die Wädenswiler Unternehmen durch die Corona-Massnahmen des Bundes gefordert. Viele trifft es hart. Gerade kleine Betriebe. Doch unterkriegen lassen wollen sie sich nicht. Viele haben Kurzarbeit angemeldet und Ideen entwickelt, wie sie ihre Kundinnen und Kunden trotzdem erreichen. Sie liefern ihre Ware bis vor die Haustüre, betreiben eine Abholstation oder einen Online-Shop und beraten per Telefon oder über Videokonferenz. Gastrobetriebe bieten ihre Menüs zum Mitnehmen an.
Es gibt auch Betriebe, die komplett umgesattelt haben und sich nun ganz anderen Aufgaben widmen, als sie es üblicherweise tun. So zum Beispiel die H. J. Langendorf AG an der Zugerstrasse. Der über 100-jährige Familienbetrieb liefert normalerweise Getränke und Fest-
zubehör an Alters- und Pflegheime, Firmen, Vereine, Gastronomiebetriebe und Eventveranstalter. Letztere machen den grössten Teil des Umsatzes aus — und fallen im Moment komplett weg. Deshalb greift das Langendorf- Team nun der Post unter die Arme, welche aufgrund der Flut an Online-Bestellungen komplett am Anschlag ist.

Renate Langendorf drückt auf eine von zehn Klingeln am Haupteingang eines Mehrfamilienhauses. «Guten Tag. Ich habe ein Paket für Sie», sagt sie, als sich eine Stimme durch die Gegensprechanlage meldet. Seit dem ersten Lockdown im März ist das Team des Getränkelieferanten Langendorf für die Post im Einsatz. Das eigene Geschäft, welches auf der Belieferung von Gastrobetrieben und Events basiert, ist duch die Corona-Krise komplett eingebrochen. «Zum Glück konnten wir im Frühling von einem Tag auf den anderen für die Post arbeiten», sagt Renate Langendorf. «So mussten wir niemanden entlassen».

Mitarbeitende schon 30 Jahre lang dabei
Die Mitarbeitenden der H. J. Langendorf AG sind zum Teil schon fast 30 Jahre dabei, viele sind über 50 Jahre alt. Renate Langendorf weiss: «Es wäre eine Katastrophe, wenn sie ihren Job verlieren würden.» Mit den Aufträgen der Post sind zwei Personen ausgelastet, der Rest wird durch Kurzarbeit aufgefangen. «Natürlich haben wir finanziell enorme Einbussen. Doch auf diesem Weg kommen wir über die Runden. Und die Arbeit für die Post macht Spass, es herrscht immer gute Stimmung.»

Sivex: Facebook-Aufruf als Rettung
Auch der Wädenswiler Eventspezialist Sivex stand im letzten Frühling vor dem Nichts: Alle Veranstaltungen wurden abgesagt, ihre Aufträge ausnahmslos gestrichen. Die Stornierungsflut veranlasste die Geschäftsleitung, ihre prekäre Lage öffentlich zu machen. Auf Facebook baten sie die Öffentlichkeit darum, sich zu melden, falls man einen Auftrag für sie habe. Der Aufruf schlug ein wie eine Bombe. Rund 725 000 Personen hat er erreicht. «Die nächsten Tage sassen wir im Büro und beantworteten Mails, Telefone und Medienanfragen aus der ganzen Schweiz und bis nach Norddeutschland», erinnert sich Mitinhaber Thomas Kellerhals. «Das Echo in den Medien und die Tausenden von Menschen, die unseren Facebook-Beitrag verbreiteten, motivierten uns enorm und halfen uns, in dieser schwierigen Zeit als Unternehmen zu überleben.»
Von diesem Moment an galt es, Saunas auszubauen, Gartentore zu reparieren, Kabelkanäle in Autobahntunneln und Lüftungen zu montieren, Bohrroboter zu bedienen oder bei Umzügen und Gartenarbeiten zu helfen.

Keine Kurzarbeit mehr nötig
Inzwischen ist der neue Alltag für die Sivex zum Normalzustand geworden. Die acht Mitarbeitenden helfen regelmässig und zum Teil auch über längere Zeit bei Zimmereien aus, unterstützen die Werke der Stadt Wädenswil zum Beispiel beim Zeitungssammeln und engagieren sich bei einer Tunnelbeleuchtungsfirma.
Seit September muss die Sivex keine Kurzarbeit mehr in Anspruch nehmen. «Finanziell ist es natürlich ein grosser Unterschied zu früher, die Einbussen betragen trotz der Zusatzarbeiten rund 30 Prozent», sagt Thomas Kellerhals. «Doch wir können von Glück sprechen, dass wir überhaupt arbeiten können. Das ist auch für die Psyche wichtig. Ausgelastet sind wir aber nicht.» Das Wichtigste war für Kellerhals und den Rest der Geschäftsleitung immer, dass sie ihre guten Leute behalten können. So seien sie parat, wenn es mit den Events wieder losgehe. Darüber, wann es soweit sein wird, möchte er nicht spekulieren: «Wir haben es aufgegeben, uns auf etwas einzustellen. Wir machen einfach so lange so weiter, wie es nötig ist.»

Nöihüüsli-Pächter geben auf
Doch nicht alle Wädenswiler Unternehmen haben es geschafft, sich in der langen Krise über Wasser zu halten. Ein Beispiel dafür ist das Restaurant Nöihüüsli im Stadtzentrum. Traurig teilt das Pächterpaar mit, dass es das Restaurant per Ende April aus finanziellen und gesundheitlichen Gründen aufgeben wird. «Das Nöihüüsli war unser Lebenstraum, der nun zum Albtraum geworden ist», sagt Maja Dohner-Elmer. «Vom Bund haben wir bis heute keine Unterstützung erhalten und von unserem privaten Vermögen ist bereits das Doppelte in das Restaurant geflossen, als wir ursprünglich geplant hatten. Mehr geht einfach nicht», ergänzt sie. «Wir wollen die Reissleine ziehen, bevor wir Konkurs anmelden müssen.»
Wie es in Zukunft für das Paar aus Horgen weitergeht, ist noch offen: «Wir haben verschiedene Optionen, haben aber noch nichts entschieden.» Ihr Partner habe im ersten Lockdown im April zu allen anderen Sorgen auch noch einen Herzinfarkt gehabt. «Es ist uns deshalb wichtig, dass wir uns noch etwas Zeit lassen können.» Sicher ist, das es mit dem Nöihüüsli als Dorfbeiz weitergehen wird. Offenbar wurden bereits neue Pächter gefunden.