Seit drei Jahren ist Markus Hohl in der Stadt Wädenswil für die Biodiversität und den Naturschutz zuständig. Er kümmert sich darum, dass die Grünräume in der Stadt richtig gepflegt werden und beschäftigt sich auch mit Themen wie Tigermücken, Hitzebelastung oder Trockenheit. Was der Wädenswiler Bevölkerung besonders wichtig ist und was jede und jeder zu mehr Biodiversität beitragen kann, erzählt er im Interview.
Anja Kutter
Markus Hohl, nach welchen Grundsätzen pflegt die Stadt ihre Grünflächen?
Das hängt davon ab, wie die Grundfläche genutzt wird. Im Rosenmattpark zum Beispiel haben Parkgestaltung, Gartenbild und Denkmalschutz hohe Priorität. Im Alterszentrum Frohmatt hingegen stehen ökologische Aspekte wie hohe Artenvielfalt oder Kreislaufwirtschaft im Vordergrund.
Gibt es Grundsätze, die Sie überall anwenden?
Ja. In den Legislaturzielen des Stadtrats ist die Förderung der Biodiversität verankert. Dafür setzen wir uns überall ein. Und wir verwenden Herbizide nur im absoluten Ausnahmefall.
Was wäre eine solche Ausnahme?
Es gibt Situationen bei der Bekämpfung von Neophyten, wo der Einsatz von Gift gerechtfertigt werden kann. Ansonsten verzichten wir darauf.
Die Stadt Wädenswil ist im Bezirk Horgen die einzige Gemeinde, die seit 2020 mit Ihrer Person eine Fachstelle zur Förderung der Biodiversität geschaffen hat. Sie wurde damals politisch vom Gemeinderat gefordert. Was hat sich seither getan?
Die Stadt hat auch schon vor meiner Anstellung einiges in Sachen Biodiversität getan. Seit 2012 ist sie daran, das Landschaftsentwicklungskonzept umzusetzen. Dort sind Massnahmen definiert, die die Qualität der Landschaft inklusive Siedlungsraum verbessern.
Und seit Ihrer Anstellung?
Seither konnte die Umsetzung von Massnahmen intensiviert werden. In den letzten zwei Jahren standen Gewässerrevitalisierungsprojekte, ökologische Aufwertung von städtischen Anlagen und die Grünthemen im Rahmen der Revision der Bau- und Zonenordnung im Vordergrund. Zusätzlich wurden das Neophytenmanagement, die Wildhut und die Landwirtschaft in meine Zuständigkeit verschoben, um Schnittstellen zu reduzieren. Die Umsetzung von Biodiversitätsmassnahmen sind Querschnittsprojekte. Es ist deshalb unumgänglich, eine benannte Stelle zu haben, die das koordiniert und vorantreibt.
Was ist Ihre Hauptaufgabe?
Die lokale ökologische Infrastruktur im Siedlungsgebiet und der offenen Landschaft zu erhalten und zu fördern.
Was heisst das konkret?
Die ökologische Infrastruktur ist ein Netzwerk von Flächen, welche für die Biodiversität wichtig sind. Sie trägt massgeblich zur Sicherung wichtiger Leistungen für Gesellschaft und Wirtschaft und zur Förderung der Landschaftsqualität bei. Im Siedlungsgebiet werden beispielsweise die Themen Hitzebelastung, Starkniederschläge und Trockenheit immer wichtiger.
Was wird in diesen Themen unternommen?
Artenreiche Grünräume, die richtigen Bäume und ein geschicktes Regenwassermanagement tragen wesentlich dazu bei, die Auswirkung dieser Risiken zu reduzieren.
Worauf legen Sie bei Ihrer Arbeit Wert?
Grünräume müssen richtig gepflegt und unterhalten werden. Darum lege ich grossen Wert darauf, Projekte aus Sicht des Unterhaltes zu planen. Es macht keinen Sinn, eine Blumenwiese anzulegen, wenn sie danach nicht richtig gepflegt werden kann. Allgemein sind attraktive Grünflächen und Aufenthaltsräume aber ein grosser Mehrwert für die Bevölkerung und werden zum Standortfaktor, auch für Detaillisten, wenn man an die Ortszentren denkt.
Zu Ihrem Job gehört auch die Beratung der Wädenswilerinnen und Wädenswiler. Was beschäftigt die Bevölkerung am meisten?
Ein durchgrüntes Wädenswil und Grünraumthemen sind der Bevölkerung sehr wichtig. Im Einzelnen sind es ganz unterschiedliche Fragen, die an mich gelangen. Das Thema Stadtbäume ist vielen ein grosses Anliegen. Baumfällungen und Holzarbeiten lösen darum auch viele Fragen aus. Andere erkundigen sich nach dem Vorkommen von Tigermücken in Wädenswil oder welche einheimische Strauchart sich für eine immergrüne Sichtschutzhecke eignet.
Dann beantworten Sie mir diese Fragen doch bitte gleich. Gibt es Tigermücken
in Wädenswil?
Das lässt sich abschliessend nicht beantworten. Mir liegen zur Zeit keine Meldungen vor. Bei allen Belegexemplaren, die mir zugestellt wurden, handelte es sich um die Asiatische Buschmücke. Die Tigermücke überwintert aber bereits in der Stadt Zürich. Da die Art wärmeliebend ist, muss davon ausgegangen werden, dass sie sich gerade mit dem Klimawandel zukünftig weiter ausbreiten wird. Es ist also eine Frage der Zeit, bis wir uns auch in der Stadt Wädenswil mit der Tigermücke auseinandersetzen müssen.
Und welche Strauchart eignet sich für eine immergrüne Sichtschutzhecke?
Leider ist man bei der Wahl einer Pflanzenart für eine einheimische, immergrüne Sichtschutzhecke etwas eingeschränkt. Folgende Pflanzen lassen sich aber gut einsetzen: Eibe, Liguster, Efeu, Buchsbaum und Stechpalme. Die Hainbuche, obwohl nicht immergrün, eignet sich ebenfalls als Sichtschutz, weil sie die Blätter erst im Frühjahr abwerfen, sobald die neuen Triebe erscheinen, und somit auch im Winter einen Sichtschutz bieten.
Welche Fehler werden in den privaten Gärten am häufigsten gemacht?
Ich glaube nicht, dass von Fehlern gesprochen werden darf. Der Garten ist wie das Wohnzimmer ein Teil des eigenen Lebensraums. Die Gestaltung ist sehr persönlich. Ich denke aber auch, jede und jeder soll im Rahmen seiner Möglichkeiten einen Beitrag leisten. Wird anstelle von Kirschlorbeer eine einheimische Pflanze für die Sichtschutzhecke gewählt oder ein Baum im Garten gepflanzt, wird bereits ein kleiner Beitrag geleistet. Die Wirkung zeigt sich in der Summe dieser Beiträge.
Was kann die Bevölkerung mithelfen, um die Biodiversität zu fördern und Rücksicht auf die Natur zu nehmen?
Es gibt unzählige Websites, Broschüren und Merkblätter, die zeigen, wie sich die Biodiversität im eigenen Garten steigern lässt. Dasselbe gilt für die Balkongestaltungen. Meines Erachtens hilft schon ein grosser Teil der Bevölkerung mit. Der Wunsch nach mehr Biodiversität wird mehr und mehr zum Mainstream. Bei den lokalen Naturschutzvereinen in Wädenswil und Schönenberg hat man ausserdem die
Möglichkeit, sich gesellschaftlich für mehr Biodiversität zu engagieren.
Vor einigen Jahren war das Thema Strassenrabatten in aller Munde. Der Aufschrei war gross, als die Blumen an Strassen aus Spargründen durch Bollensteine ersetzt wurden. Wie sieht die Situation heute aus?
Die Rabatten sind nach wie vor ein Thema. Die Situation hat sich auch nicht geändert. Der Unterhaltsdienst ist darum bemüht, die Bepflanzung an Gemeindestrassen in ökologischer Hinsicht kontinuierlich zu verbessern. Es muss aber immer zwischen Kosten und Nutzen abgewägt werden. Da Rabatten oft im Verkehrsumfeld liegen, muss auch immer der Faktor Sicherheit mitberücksichtig werden. Aber wir sind schon aktiv geworden.
Inwiefern?
Um das Management der Rabatten zu vereinfachen, haben wir im letzten Jahr einen Rabatten-Kataster entwickelt und in den Stadtplan integriert. Dieses Instrument wird uns auch eine längerfristige Entwicklungsplanung ermöglichen.