Der Zürcher Sanitär Tim Brauchli machte im sozialen Netzwerk LinkedIn auf die fehlende Wertschätzung gegenüber Handwerksberufen aufmerksam und ging damit viral. Das Thema trifft auch bei den Wädenswiler Handwerksbetrieben einen Nerv. Sie möchten vor allem Jugendlichen aufzeigen, dass man als Handwerkerin oder Handwerker gute Chancen auf eine erfolgreiche Karriere hat.
Anja Kutter
In seinem Beitrag auf LinkedIn teilte der Zürcher Sanitär Tim Brauchli kürzlich seine Frustration über eine herablassenden Bemerkung eines Bankers. Dieser kommentierte Brauchlis Beruf mit den Worten «Jemand muss das ja machen». Das traf ihn.
Mit dem anschliessenden Post sprach er vielen aus dem Herzen: rund 80 000 Personen reagierten darauf, das Thema machte landesweit Schlagzeilen. Er leiste mehr als viele, verdiene richtig gut mit seinem Handwerk und sehe täglich, was er geschaffen habe, schrieb Brauchli. Und: «Ohne uns Handwerker würde nichts laufen!»
Diese Meinung teilen auch Wädenswiler Handwerkerinnen und Handwerker. Die fehlende Anerkennung in der Gesellschaft sehen sie auch als Grund für die Nachwuchsprobleme in ihren Berufen. «Es sind nicht nur die Jungen selber. Auch viele Eltern raten ihren Kindern davon ab, eine Lehre im handwerklichen Bereich zu machen. Dabei kann man es in unseren Berufen weit bringen», sagt etwa Ivano Poletti, Werkstattleiter in der Garage Schuler im Wädenswiler Berg. Er selber hat eine Ausbildung als Automechaniker gemacht, heute leitet er ein Team und bildet Lernende aus. «Man muss es nur wollen. Dann steht einer erfolgreichen Karriere mit einem guten Lohn nichts im Weg.»
Handwerker appellieren an Eltern
Als Handwerkerin oder Handwerker stehen einem viele Möglichkeiten offen, man kann vergleichsweise schnell Karriere machen und gutes Geld verdienen, erlebt
viel Abwechslung und kann am Ende des Tages sehen, was man geschaffen hat. Ein
Beruf also, der von der Gesellschaft unterschätzt wird? Ja, finden die Wädenswiler
Expertinnen und Experten. Sie appellieren vor allem an Eltern, ihre Kinder nicht in eine akademische Laufbahn zu zwingen.

«Zum Leben gehört Handwerk»
«Die Wertschätzung ist in unserem Beruf sehr unterschiedlich. Wir erhalten zum Glück immer wieder Komplimente für gute Arbeiten. Was aber leider auch immer wieder vorkommt, ist, dass wir uns bei Anfragen für eine Offerte sehr bemühen und auch gut beraten. Wenn sich die Kunden dann nicht für uns entscheiden, was legitim ist, empfinden sie es nicht für nötig, uns zu informieren. Das finde ich sehr schade und zeigt nicht gerade eine grosse Wertschätzung für unseren Aufwand.
Die jungen Leute und auch die Eltern vergessen, dass Handwerk immer gebraucht wird. Vielleicht müssten auch Verbände wieder mehr dafür tun, den jungen Leuten das Handwerk schmackhaft zu machen. Man arbeitet zwar hart und macht die Hände schmutzig, am Ende sieht man dafür, was man geleistet hat. Es ist ein Resultat, das man unter Umständen noch lange anschauen kann.
Ich freue mich immer sehr über glückliche Kunden, die Abwechslung im Alltag, die Arbeit an der frischen Luft und die immer wieder neuen Aufgaben. Kurz: Handwerk ist so vielseitig wie die Welt um uns herum und hält das Land am Laufen. Handwerk baut, repariert, hilft, schützt, bewegt, modernisiert, erfindet und verbindet. Handwerk schmeckt, ist kreativ und macht schön. Zum Leben gehört Handwerk!»
Claudia Bucher, Co-Geschäftsführerin
Bucher & Schori Malergeschäft AG

«Ich bin sehr dankbar, dass ich Handwerklich begabt bin»
«Da ich in meinem Umfeld mehrheitlich mit Handwerkern zu tun habe, nehme ich die Wertschätzung für Handwerksberufe positiv wahr. Und auch unsere Kundinnen und Kunden sind fast immer sehr dankbar, dass wir für sie etwas reparieren oder verwirklichen. Das macht Freude!
Die Nachwuchsprobleme sind meiner Ansicht nach vor allem darauf zurückzuführen, dass junge Leute zu Hause heute viel weniger Möglichkeiten haben, sich handwerklich zu beschäftigen. Gespielt wird am Bildschirm, die Wenigsten haben eine Werkstatt oder einen Bastelraum zur Verfügung. Was nicht funktioniert, wird entsorgt und nicht mit den Kindern zusammen auseinandergeschraubt und allenfalls sogar repariert.
Sicher ist: Sollte es uns in der Schweiz mal richtig schlecht gehen und der Kampf ums Überleben losgehen, brauchen wir weder Geld noch Anwälte, Versicherungen oder Banken. Dann braucht es nur noch Leute, die in der Lage sind Nahrung zu beschaffen. Und dafür braucht es handwerkliches Geschick.
Ich bin sehr dankbar, dass ich Handwerker und handwerklich begabt bin!»
Michael Sutter,
Projektleiter, Brupbacher Gatti AG

«Eltern sollten die Vorteile einer Berufsausbildung aufzeigen»
«Meine Leute auf den Baustellen bekommen zum Glück im Grossen und Ganzen sehr positive Rückmeldungen auf ihre tägliche Arbeit. Das liegt sicher auch daran, dass sie sehr hilfsbereit sind. Zum Beispiel wenn es darum geht, während einer Baustelle die Zugänge zu den Häusern zu gewährleisten.
Die Nachwuchsprobleme im Handwerk haben meiner Meinung nach vor allem damit zu tun, dass die Eltern von heute das Gefühl haben, nur eine akademische Ausbildung sei gut für ihre Kinder. Es wäre sehr hilfreich, wenn Eltern auch die Vorteile einer Berufsausbildung mit den entsprechenden Weiterbildungsmöglichkeiten aufzeigen würden. Da gibt es aber halt leider ein weiteres Problem: solange der Rechtsanwalt CHF 350.– pro Stunde in Rechnung stellt und die Handwerker zu eher tiefen Löhnen arbeiten, wird sich dies in absehbarer Zukunft leider nicht ändern.
Dabei haben handwerkliche Berufe viele positive Aspekte. Am Abend sieht man zum Beispiel, was man gemacht hat. Bei uns im Tief- und Strassenbau noch viel mehr, da wir ja die Strassen selber benutzen, die wir erstellt haben.»
Hanspeter Andreoli,
Leitung Region Zentralschweiz und Niederlassungsleiter Zürichsee, Cellere Bau AG

«Im Handwerk kann man schnell Karriere machen»
«Handwerksberufe werden tatsächlich oft nicht genügend gewürdigt, obwohl sie unglaublich wichtig für unseren Alltag sind. Viele Leute nehmen die Arbeit von Handwerkern als selbstverständlich hin, ohne wirklich zu sehen, wie viel Können und Engagement dahintersteckt. Das Problem ist: wenn junge Menschen nicht richtig erkennen, wie wertvoll und erfüllend ein Handwerksberuf sein kann, verliert der Beruf an Attraktivität. Eine höhere Wertschätzung würde mehr Jugendliche zu einer solchen Laufbahn motivieren.
Ausserdem spielen auch die Eltern eine Rolle. Viele von ihnen legen grossen Wert darauf, dass ihre Kinder einen akademischen Weg einschlagen. Das führt oft dazu, dass Handwerksberufe nicht als gleichwertige Option gesehen werden, obwohl sie genauso wichtig und vielseitig sind.
Man darf nicht vergessen, dass man im Handwerk relativ schnell Karriere machen und schon früh Verantwortung übernehmen kann. Das gibt einem die Möglichkeit, in jungen Jahren Entscheidungen zu treffen und sich weiterzuentwickeln.»
Nico Alber,
Co-Abteilungsleiter Sanitär Geiger AG

«Unser Image können wir durch sauberes und gepflegtes Auftreten verbessern»
«Zum Glück hatten wir bisher noch nie das Problem, keine Anfragen für Schnupperlehren oder Lehrstellen zu erhalten. An der Berufsmesse der OSW höre ich aber schon manchmal Eltern, die ihre Kinder lieber im KV oder auf einem akademischen Weg sehen. Ich persönlich arbeite teilweise am Schreibtisch und teilweise auf der Baustelle. Wenn mein Schreibtisch am Abend leer ist, bin ich zufrieden. Was ich den ganzen Tag geleistet habe, ist jedoch nicht sichtbar. Das ist teilweise frustrierend. Aber ich weiss, dass es beide Seiten braucht.
Ein Handwerker sieht am Abend, was er alles geleistet hat. Ein Wohnhaus seinem neuen Besitzer zu übergeben und zu wissen, dass vieles von Hand erstellt wurde, ist ein wunderbares Gefühl.»
Claudio Kägi,
Geschäftsleiter Kägi & Co, Heizung Sanitär AG

«Es fehlt immer mehr am Verständnis für das Handwerk»
«Die Wertschätzung ist unterschiedlich. Bei den meisten Kundinnen kommt unser Service sehr gut an. Sie sind froh um unsere Hilfe oder haben Freude an einer neuen Küche oder an einem praktischen Schrankeinbau. Da kommt schon mal ein Lob für die saubere Arbeit oder ein erstauntes «ich hätte nicht gewusst wie». Da fühlt man sich gebraucht und etwas wert.
Wir erleben aber auch ab und zu Situationen, in denen Kunden uns weniger Respekt entgegenbringen. «Dafür hätte ich aber nicht so lange gebraucht», ist ein Satz, der mich sehr triggered. Warum haben sie uns angerufen, frage ich mich dann. Weil sie es eben doch nicht selbst können.
Es fehlt schon immer mehr am Verständnis für das Handwerk. Wenn jeder einmal eine komplette Küche herstellen würde und inklusive Geräte in den dritten Stock hochtragen würde, dann hätte unsere Gesellschaft mehr Respekt vor dieser Arbeit. Auch mit mehr Sichtbarkeit, auch für die technisch anspruchsvollen Fertigungsmethoden, könnten wir das Verständnis fördern. Dann würde auch die Wertschätzung und damit die Nachfrage nach diesen Lehrberufen wieder steigen. Der grösste Vorteil als Handwerker sehe ich in unserem Know-how über die Funktionsweise von alltäglichen Dingen. Das hilft auch im Privatleben immer wieder. Im Arbeitsalltag setzen wir diese «Superkraft» noch gezielter ein und schaffen etwas Reales, womit die Kundinnen einfacher und angenehmer leben können. Das motiviert mich.»
Martin Stalder,
Inhaber und Geschäftsführer Stalder Innenausbau AG

«Die Entlöhnung wird oft falsch kommuniziert»
«Damit das Handwerk auch in Zukunft eine Perspektive hat, müssen wir es als Gesellschaft wertschätzen. Das Schulsystem wie auch das Elternhaus ist heute leider mehrheitlich auf die Förderung einer akademischen Laufbahn ausgerichtet. Auch die Entlöhnung wird oft ohne fundiertes Wissen falsch kommuniziert. Dabei ermöglicht der Handwerksberuf viele Möglichkeiten für eine erfolgreiche Karriere. Und mit den eigenen Händen und Ideen etwas zu realisieren zum Wohle von anderen Menschen ist befriedigend. Zudem erfordern viele Arbeiten die Zusammenarbeit im Team, was auch einen Austausch an Erfahrungen und Wissen ermöglicht.»
Marcel Schuler, Dipl. Baumeister und
Geschäftsführer Füchslin Baugeschäft AG

«DIE BERUFSLEHRE IST DER PERFEKTE GRUNDSTEIN»
«Handwerk hat Zukunft, das weiss man mittlerweile. Und von unseren Kundinnen und Kunden erhalten wir viel Wertschätzung für unsere Arbeit. Aber das Ansehen eines Lehrberufes im Handwerk ist leider oft noch zweitklassig. Viele Schulabgänger wollen ans Gymi, um zu studieren. Dabei ist das duale Bildungssystem unsere Schweizer Stärke. Wer in einer Berufslehre die Basics gelernt hat, kann dank der Berufsmaturität später immer noch einen Hochschulabschluss oder einen eidgenössischen Titel erlangen. Ich habe selber diesen Werdegang gewählt und würde es jedem wärmstens empfehlen. Die Berufslehre ist der perfekte Grundstein für einen erfolgreichen beruflichen Werdegang.
Und ohne das Handwerk geht gar nichts. Zum Glück helfen der technische Fortschritt und das steigende Lohnniveau den handwerklichen Berufen, ihr verstaubtes «Chnuschti»-Image je länger je mehr abzulegen. Und das ist gut so.
Es gibt so viel Schönes an einem handwerklichen Beruf. Zum Beispiel die Möglichkeit für Innovation und Kreativität. Zudem gehören auf einer höheren Stufe neben der Arbeit mit den Händen auch Personalführung, Büroarbeiten, Planung oder die Ausbildung von Lernenden zum Alltag. Man ist also auf körperlicher und geistiger Ebene gefordert.
Ich merke, dass oft ein Konkurrenzdenken zwischen Akademikern und Lehrabgängern herrscht. Wir sollten davon wegkommen und merken, dass wir beides brauchen.»
Marco Frick,
Inhaber und Geschäftsführer brinergarten gmbh

«Ehrliche Arbeit wird vom Kunden immer geschätzt»
«Der aktuelle Trend bei den Jugendlichen ist ja, mit wenig Aufwand berühmt, reich und sorgenlos werden zu wollen. Die sozialen Medien tragen sicher dazu bei. Wenn der Wunschtraum nicht eintritt, «zaubert» die Realität den Boden aber ganz schnell unter den Füssen weg.
Das Handwerk hingegen bringt tatsächlich goldene Perspektiven. Denn ehrliche Arbeit, mit Können und Fleiss ausgeübt, wird immer vom Kunden geschätzt. Und unser Malerberuf, war, ist und bleibt ein Beruf mit unendlich bunten und kreativen Möglichkeiten.»
Roger Weisskopf,
Co-Geschäftsführer Grüninger AG
Malerfachbetrieb