DIE ÄRA DER BÜRSTEN-FABRIK ERZINGER GEHT IN WÄDENSWIL ZU ENDE

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DIE ÄRA DER BÜRSTEN-FABRIK ERZINGER GEHT IN WÄDENSWIL ZU ENDE

Die Produktion der Bürstenfabrik Erzinger AG verlässt per Ende 2023 die Liegenschaft an der Buckstrasse nahe der katholischen Kirche. Produziert werden die Qualitäts-Bürsten künftig unter dem Dach der A+B Bürsten-Technik AG in Wattwil. Die Marke bleibt erhalten – und auch Junior-Chef Thomas Erzinger betreut die Herstellung und den Vertrieb weiterhin. Es sei trotzdem ein grosser Schritt, den man nicht leichtfertig getan habe, sagt Senior-Chef Stefan Erzinger.

Anja Kutter

Seit 1846 ist die Bürstenfabrik Erzinger AG in Familienbesitz. Mit ihrem Qualitätsbewusstsein, grossem Fachwissen und einer Menge Herzblut hat die Familie ihr Unternehmen durch Höhen und Tiefen gesteuert und zahlreichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern eine sichere Stelle geboten. Mit einem Team von 13 Personen wird heute ein Jahresumsatz von rund 2,5 Millionen Franken erzielt. «Wir sind ein rundum gesundes Unternehmen. Unsere Entscheidung haben wir nicht aus finanzieller Not getroffen», betont Stefan Erzinger. Er führt die Bürstenfabrik Erzinger AG zusammen mit seinem Sohn Thomas in 5. und 6. Generation. 

Es seien andere Gründe, die sie dazu bewogen hätten, ihr Lebenswerk in neue Hände zu geben: «Wir mussten erkennen, dass die Weiterentwicklung des Unternehmens an unserem Standort in Wädenswil nicht möglich ist. Wir sind hier vom Platz her eingeschränkt, können nicht weiter ausbauen.» Zudem würden immer höhere Anforderungen an Firmen gestellt, die international tätig seien, ergänzt Stefan Erzinger: «Die umfangreichen Zolldokumente und Konformitätserklärungen, die Mehrsprachigkeit sowie die verschiedenen Kommunikationskanäle übersteigen je länger je mehr unsere Möglichkeiten.»

Als dann die A + B Bürsten-Technik AG ihr Interesse an einer Zusammenarbeit bekundet habe, sei man zusammengesessen und habe verschiedene Szenarien durchgedacht. «Schliesslich sind wir zum Entscheid gekommen, dass es Sinn macht, die Produktion am Standort Wattwil zu vereinen.»

Zukunftsorientierter Entscheid
Die A+B Bürsten-Technik AG aus dem Toggenburg übernimmt den Produktionsbereich der Bürstenfabrik Erzinger per 1. Januar 2024. Neben dem Sortiment auch den Maschinenpark, das Warenlager, die Marke «Erzinger Bürsten», die Aufträge und Geschäftsbeziehungen sowie die Arbeitsverträge, sofern dies von den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern gewünscht wurde. «Der längere Arbeitsweg hat aber viele dazu bewogen, sich neu zu orientieren. Dass sie alle – bis auf eine Mitarbeiterin – bereits eine neue Stelle gefunden haben, freut uns sehr.»

In Wädenswil verwurzelt
Stefan Erzinger, der während über 40 Jahren im Familienbetrieb tätig war und seit 1986 Ge-schäftsführer der Bürstenfabrik Erzinger ist, gibt zu, dass die Übergabe für ihn eine emotionale Sache sei und ihm natürlich nicht leicht falle. Schliesslich seien er und seine Familie in Wädenswil fest verwurzelt. «Der Schritt kommt aber zum richtigen Zeitpunkt und ist objektiv gesehen für alle ein Glücksfall.» 

Thomas Erzinger, stimmt zu. Er wird sich auch unter dem neuen Dach um das Sortiment der Erzinger-Bürsten kümmern und eine Key-Account-Funktion in der Verkaufsleitung übernehmen. «Ich freue mich auf das neue Kapitel. Durch die Vereinigung mit der A + B Bürsten-Technik AG sichern wir die Zukunft unserer Produktion und haben ganz neue Möglichkeiten der Weiterentwicklung. Deshalb ist unser Entscheid sowohl bei unserer Kundschaft als auch bei Lieferantinnen und Lieferanten gut angekommen.»

Viele schöne Momente
Sowohl Stefan wie auch Thomas Erzinger ist es ein Anliegen, ihren Kundinnen und Kunden, den Geschäftspartnerinnen und Geschäftspartner sowie ihren ehemaligen und aktuellen Mitarbeitenden zu danken: «Wir haben viele schöne Momente erlebt und über all die Jahre gut zusammengearbeitet. Dafür sind wir sehr dankbar», sagen sie. 

Und was passiert nun mit dem Firmengebäude, das heute – anders als früher – mitten in einem Wohnquartier steht? «Dies herauszufinden und zu planen ist nun die Aufgabe der neuen Erzinger Immobiliengesellschaft, die sich anstelle der Bürstenfabrik um die Liegenschaft kümmert», sagt Stefan Erzinger. «Was wir damit machen, ist bisher aber noch völlig offen.»

177 Jahre Bürstenfabrik Erzinger AG
Bürsten gehören zu den ältesten Werkzeugen überhaupt. Sie dienen nicht nur der Reinigung, sondern erfüllen in gewerblichen Anwendungen oft auch andere Aufgaben. Solche Spezialbürsten stellt die Bürstenfabrik Erzinger AG seit 1846 als inhabergeführtes Unternehmen her. Von hier werden sie in die ganze Welt geliefert. Vor allem in die EU, aber auch nach Übersee. 

Aus Wädenswil in die Welt
Gegründet wurde die Firma 1846 von Johann
Erzinger-Mäder in Schleitheim SH. Seit 1863 ist sie in Wädenswil zu Hause, zuerst an der Seestrasse
bei der Bierquelle, ab 1910 an der Buckstrasse. Zu Beginn stellte das Unternehmen Bürsten für
Haushalt und Gewerbe her, mit der Zeit dann im-
mer mehr Maschinenelemente und Gebrauchs-bürsten für Industrie und Gewerbe. Meist Spezialitäten, die auch in kleiner Stückzahl hergestellt -werden. Diese Bürsten müssen je nach Einsatzgebiet sehr hohe Anforderungen erfüllen, zum
Beispiel die Hygienevorschriften der Lebensmittel- und der Pharmaindustrie oder bezüglich
Hitzebeständigkeit und elektrischer Leitfähigkeit der Fasern. Hier positionierte sich die Bürsten-fabrik auch international erfolgreich. Der Export-anteil beträgt heute ca. 75 %. Die Qualität ist
bis heute «echt schweizerisch», wie Stefan Erzinger sagt. Seit 1998 trägt man das Label ISO 9001. 

Von der Handwerkskunst zur maschinellen Produktion
In den letzten 177 Jahren entwickelte sich die Bürstenfabrik Erzinger vom Handwerksbetrieb zur mehrheitlich maschinengestützten Produktion
mit CNC-gesteuerten Maschinen. Auch die Logistik hat sich entwickelt. Während die Rohstoffe für
die Produktion bis 1875 mit Pferdefuhrwerk und Lastschiff nach Wädenswil kamen, werden sie heute mit modernen LKWs angeliefert. 

Dass es den Mitarbeitenden gut geht, war der Familie Erzinger schon immer wichtig. Deshalb gründete sie 1944 mit anderen Wädenswiler Firmen eine eigene Pensionskasse. 1920 wurde die Arbeitszeit auf 48 Stunden pro Woche reduziert, 1990 auf 41.

An jeder Gewerbeausstellung dabei
In Wädenswil war das Unternehmen immer stark verankert und vernetzt: Seit ca. 1860 ist es Mit-
glied des Handwerker- und Gewerbevereins, 1918 folgte der Beitritt in den Industrie- und Arbeit-geber-Verein. Von 1865 bis 2022 nahm die Bürstenfabrik Erzinger an allen Gewerbeausstellungen in Wädenswil teil. 

Das Markenzeichen der Bürstenfabrik Erzinger ist der Igel, der 1952 erstmals im Logo auftauchte. Zum einen, weil die Stacheln des Igels einer Bürste ähneln, zum anderen geniesst der Igel sehr viel Sympathie, die stellvertretend für die persönliche und individuelle Art der Bürstenproduktion steht.

Bürstenfabrik Erzinger AG
Buckstrasse 31
8820 Wädenswil
Tel. 044 789 80 80

bew@erzinger.ch
www.erzinger.ch