Bis 1931 verschwanden die vier alteingesessenen Wädenswiler Fotogeschäfte Schlenker, Angele, Listenow und Meusser. Historiker Peter Ziegler blickt zurück.
Prof. Dr. h.c. Peter Ziegler
Fotograf Ernst Schlenker
1891 übernahm Fotograf R. Guler das Fotoatelier von Traugott Richard «beim Dampfschiffsteg » in Wädenswil, verkaufte es aber bereits ein Jahr später an Philipp Beckel in Glarus. Und dieser wiederum veräusserte das Geschäft 1893 dem Wädenswiler Ernst Schlenker (1886 – 1950). Von ihm haben sich nebst Porträts und Hochzeitsfotos verschiedene Bilder von Wädenswiler Gebäuden sowie Gesamtansichten des Dorfes erhalten. Zu erwähnen sind unter anderem die folgenden gelaufenen Postkarten, datiert nach den Stempeln: Badanstalt (nach 1903), Zschokke-Häuschen im Schloss (1906), Haus der Kinderkrippe an der Etzelstrasse (1906), neues Schulhaus Glärnisch (1909), Schlosshof (1914), Reformierte Kirche (1916), ferner ein Blick vom Giessen gegen das Zentrum (1907), vom Rothaus gegen den Bahnhof (1910) und auf Wädenswil von unterhalb der Schönegg (1923). Volkskundlich interessant sind eine Aufnahme vom Weissen Sonntag 1906 sowie Schlenkers Bild der Schauspieler des Theaterstücks «Die Schmuggler» auf der «Engel»-Terrasse (1911).
Im Jahre 1927 gab Ernst Schlenker sein Fotogeschäft aus gesundheitlichen Gründen auf. Nachfolger für kurze Zeit war Albert Streuli, der unter anderem 1929 eine Fasnachtsgruppe sowie den Zeppelin über Wädenswil fotografierte. 1930 wurde das Haus an der Bahnhofstrasse 17 an die Schweizerischen Bundesbahnen verkauft, die es 1931 für den Neubau des Bahnhofs abbrechen liessen. Nach der Geschäftsaufgabe wirkte Ernst Schlenker in Wädenswil noch während mehr als 20 Jahren als Friedensrichter. Er war zudem Mitglied der Sparkassa-Gesellschaft, des Männerchors Eintracht, des Turnverein Wädenswil und kantonaler Turnveteran.
Fotograf Adolf Angele
1903 eröffnete Adolf Angele im Haus Talgarten, Gerbestrasse 2, ein Fotogeschäft. Auch von ihm sind Bilder erhalten. So Aufnahmen der Villa Grünenberg (1903), der Halbinsel Au mit Ausee von Westen (1924), der Seegfröörni 1929 beim Dampfschiffsteg Wädenswil, der Alten Kanzlei (1931) sowie des Restaurants Bellevue vor dem Abbruch im Jahre 1931.
Fotograf Emil Listenow
1905 trat der aus Schleswig stammende Emil Listenow (1872–1950) die Nachfolge des Fotografen Ferdinand Gerstner an. 1911 zog er von der Eintrachtstrasse in sein neu erbautes Atelier im Haus Oberdorfstrasse 29 um, nachmals Druckerei Villiger. An seinen erhaltenen Bildern gemessen, kann Emil Listenow, der ab 1907 auch einen Kunstverlag führte, als wichtigster Wädenswiler Fotograf zu Beginn des 20. Jahrhunderts bezeichnet werden. Eine seiner Spezialitäten war das Fotografieren von Festen und Umzügen. So hielt er mit seiner Kamera die Chilbi (nach 1903), die Fasnachtsumzüge 1908, 1910, 1911, 1921 und 1922 fest, 1908 das 6. Ostschweizer Musikfest in Wädenswil, 1909 den Umzug zur Einweihung des Glärnischschulhauses, 1923 das Festspiel der X-Gesellschaft «100 Jahre Verkehr in Wädenswil».
Fotograf Listenow verdankt man auch viele Ansichten von Wädenswiler Gebäuden: Säge am Sagenrain (1905), Bürgli (1906), Fabrikgebäude der Schnyder AG (1906), Asyl und Krankenasyl (1907), Altersasyl Fuhreck (1907), Burgruine (1907), Postgebäude (1907), Schloss (1909), Friedberg und Bank Wädenswil (1910), Grundhof (1910), Unterer Leihof (1910), Reformierte Kirche (1911), Badanstalt (1911, Hotel Engel (1912), Friedheim und Kinderheim Bühl (1912), Häuser am Reblaubenweg (1913), Freihof (1913), Pension Herrlisberg (1914), Gutswirtschaft Büelen (1914), Spinnerei Bachgaden (1918), Katholische Kirche (1919), Central (1920), reformiertes Pfarrhaus (1921). Erhalten blieben sodann Fotos vom Brand des Einsiedlerhofs (1905), des Töchterchors Wädenswil (1910), vom Denkmal für Bundesrat Walter Hauser (1910), vom FC Wädenswil (1913) und von der Seegfröörni 1914.
Fotograf Ernst Meusser
1924 verkaufte Emil Listenow sein Geschäft an der Oberdorfstrasse an Ernst Meusser. Dieser war schon seit 1920 in Wädenswil tätig, wie eine am 10. Juli 1920 gestempelte Postkarte mit einer Ansicht von Wädenswil aus Nordwesten belegt. Weitere Bilder dieses Fotografen zeigen den Oberen Lehmhof (1923), das Neugut (um 1925), die Eichmühle (1926), das Bürgli (1926), das Bürgerheim (undatiert). 1932 gab Ernst Meusser sein Geschäft auf und verkaufte das Haus dem Buchdrucker Jakob Villiger.
Bis 1931 verschwanden die alteingesessenen Wädenswiler Fotogeschäfte Schlenker, Angele, Listenow und Meusser. Eine neue Generation trat die Nachfolge an: 1930 Fritz Langendorf, 1936 Robert Thévenaz und 1937 Marcel Hoffmann.
Prof. Dr. h.c. Peter Ziegler (1937) ist in Wädenswil aufgewachsen und war viele Jahre lang Didaktiklehrer für Geschichte an der Universität Zürich. Danach leitete er den Th. Gut Verlag in Stäfa. Er hat diverse Publikationen zur Orts- und Kulturgeschichte besonders des Zürichseegebiets und des Kantons Zürich veröffentlicht.