ALS WÄDENSWIL NOCH EIN INDUSTRIEDORF WAR TEIL 2

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ALS WÄDENSWIL NOCH EIN INDUSTRIEDORF WAR TEIL 2

Nach den Textilfabriken werden nachstehend vier weitere Unternehmen erwähnt, welche das Fabrikdorf Wädenswil vor rund 100 Jahren prägten.

Prof. Dr. h.c. Peter Ziegler

Stärkefabrik Blattmann
1856 kaufte Heinrich Blattmann die Gebäude zum «Grünenberg» an der Seferen, in denen seit etwa 1830 Phosphorzündhölzer und Wichse hergestellt wurden, und konzentrierte sich auf die Fabrikation von Weizen- und Reisstärke. Heinrich Blattmann-Ziegler, der Sohn des Gründers, verlegte 1898 die Mais- und Hafermühle nach Samstagern und 1906 nahm er die Fabrikation von Dextrin und Pflanzenleimen auf. Zur Zeit des Ersten Weltkrieges kam die Produktion von Trockenkleister hinzu, bekannt als Fischkleister. Unter der Leitung von Carl Robert Ziegler und der Söhne von Heinrich Blattmann – Rico und Alfred – wurden die Schwierigkeiten des Zweiten Weltkrieges überwunden. Die gute Entwicklung der Firma spiegelt sich in der Geschichte der Fabrikbauten: 1893 entstanden Kesselhaus und Hochkamin, 1908 bezog man den Büroneubau, 1915/16 wurde die Fabrik aufgestockt und verlängert. 1928 konnte ein neues Kessel- haus und 1931 in der Au ein Lagerhaus gebaut werden. In den 1950er Jahren entstand ein Neubau für die ab 1934 laufende Noredux-Fabrikation. 1996 startete die Firma mit Bioprodukten, schloss 1998 ein Joint Venture mit Cerestar und heisst seit 2007 Blattmann Schweiz AG. Sie produziert organische Nahrungsmittelzutaten: Dinkel und Weizen Proteine, Süssstoffe, Stärke und Derivate.

Stärkefabrik Blattmann um 1920.

Seifenfabrik Sträuli AG
1825 gründete Johann Jakob Sträuli im Haus zum Sonnenberg in der Seferen eine Kerzengiesserei und Seifensiederei. Weil das Bahngleis 1875 die am Seeufer gelegene Seifen- und Kerzenfabrik vom Hinterland abgeschnitten hatte, kauften Carl und Jakob Sträuli, Enkel des Gründers, 1886 ein Grundstück an der neu angelegten Einsiedlerstrasse und errichteten hier eine Fabrik. Produziert wurden zur Hauptsache Seifen für Haushalt und technische Zwecke sowie Talg- und Stearinkerzen. Ab 1918 stellte die Firma auch Seifen- und Waschpulver her und ab 1928 in Lizenz das schwedische Osmos-Schaumbad «Peng». 1926 wurde die Fabrik um einen zweistöckigen Flachdachbau mit Dampfkesselanlage erweitert. Grosse Bestellungen seit dem Einzug vollautomatischer Waschmaschinen im Haushalt bedingten 1946 einen weiteren Ausbau der Fabrikanlagen, eines modernen vierstöckigen Betonbaus mit Flachdach. 1950 wurde die Seifenfabrik Sträuli in eine Aktiengesellschaft umgewandelt. In den 1990er Jahren ging die Produktion von Stückseifen mehr und mehr zurück. Dies führte zur schrittweisen Stilllegung des Betriebs. Im Oktober 2011 begann der Abbruch der Fabrikbauten. An ihrer Stelle liess die Sträuli AG einen fünfgeschossigen Neubau erstellen, in dem nebst vier Attikawohnungen der Campus Rothus der Zürcher Hochschule für An- gewandte Wissenschaften (ZHAW) eingemietet ist. Das Gebäude wurde 2013 bezogen.

Seifenfabrik Sträuli. Links die Bauten von 1886, rechts der Fabrikbau von 1946.

Ernst Hürlimann AG
1878 gründete Heinrich Hürlimann-Müller in Lachen eine Fabrik zur Herstellung von Streichhölzern. 1894 zog er an die Seestrasse in Wädenswil um und spezialisierte sich auf die Produktion von Schuhfett, Bodenwichse und Waschpulver. Ernst Hürlimann-Hasler, der Sohn des Gründers, begann 1905 mit der Herstellung von Speiseölen und liess 1907 an der Oberdorfstrasse ein Fabrikgebäude erstellen, dem 1911 ein Magazingebäude mit drei je 100 000 Liter fassenden Zisternen folgte. Nach dem Ersten Weltkrieg stellte die Firma Rollsynol-Öl her und vertrieb Maschinenöle und Benzin. In den 1920er Jahren brachte die Firma Ernst Hürlimann Kochfett und das Speiseöl «Ambrosia» auf den Markt. 1927 zählte sie zu den Mitgründern der AVIA Vereinigung Schweiz. 1969 gründeten die Brüder Ernst Hürlimann-Streuli und Hugo Hürlimann-Brugger eine Aktiengesellschaft und konzentrierten sich auf den Markt mit Energie- und Schmierstoffen sowie den Betrieb eines Tankstellennetzes. Heute wird die Firma in der fünften Generation geführt. Das Magazingebäude an der Oberdorfstrasse wurde 1970 für den Bau der Migros abgebrochen, das Bürogebäude 2021. An seiner Stelle entsteht ein Neubau, der nebst dem Firmenstandort zehn Mietwohnungen enthalten wird.

Von links: Fasslager, Magazin, Bürogebäude der Ernst Hürlimann AG.

Metallwarenfabrik Blattmann
1838 eröffnete Gottfried Blattmann an der Zugerstrasse 13 eine Bauspenglerei und stellte Laternen, Giesskannen, Wasserkessel her, die seine Frau im Laden verkaufte. 1858 übernahm Sohn Ernst den Betrieb. Dessen Sohn Paul kaufte 1908 die Metallwarenfabrik von Alfred Diener am Floraweg und bereicherte das Fabrikationsprogramm um den Heisswasserkessel «Caldor». 1923 und 1929 traten die die Söhne Paul und Willi in den Familienbetrieb ein. Stahlmöbel, Feuerlöscher und Blechemballagen bildeten bald neue Schwerpunkte im Fabrikationsprogramm. 1934 liessen die Brüder Blattmann vom Architekten Hans Fischli an der Zugerstrasse 64 im Musli einen modernen Neubau erstellen, den man später in verschiedenen Etappen erweiterte. Schweizweit bekannt wurde die in P. & W. Blattmann, Metall- und Aluminiumwarenfabrik umbenannte Firma durch den Landi-Stuhl, einen 1939 für die Landesausstellung in Zürich fabrizierten Leichtmetallstuhl. 1954 trat mit Ernst Blattmann die fünfte Generation ins Unternehmen ein. Ab 1978 wurde die Metallwarenfabrik Blattmann als Aktiengesellschaft geführt. 1998 übergab Ernst Blattmann den Betrieb an die Mewa-Metalight AG, welche die Räume und Maschinen mietete. 2001 ging diese Firma in Konkurs und die Produktion wurde eingestellt. Nach dem Abbruch eines Grossteiles der Gebäude sollen auf dem Areal 150 moderne Mietwohnungen entstehen.

1934 liessen die Brüder Paul und Willi Blattmann durch den Architekten Hans Fischli an der Zugerstrasse 64 einen
modernen Fabrikbau erstellen.